Der deutsche Ableger des Online Community-Radios dublab lädt bis einschliesslich September an jedem dritten Donnerstag des Monats zu einer Sound Reise rund um den Globus ein. Ausgewählte DJs und Musikfreunde aus dem dublab Umfeld durchkämmen vorab ihre Musikarchive und zeichnen in einem zweistündigen Mix Entwicklungen, Einflüsse und Historie eines oder mehrerer Musikgenres nach – live und direkt vom Ebertplatz. Die erste Ausgabe der “dublab Sound Journey” betitelten Reihe widmet sich der Entwicklung und Verschmelzung von karibischen Sounds wie Calypso, Soca oder Dub nach der Migration ihrer Protagonisten nach England um 1950, und wird von Hermes Villena gestaltet. Hermes ist Showhost bei dublab, Student an der KHM und Kurator der ~ung5 Ausstellungsreihe in der Passage der Haltestelle Ebertplatz.
Detailinfos „Port Of Spain Shuffle – Von Calypso zu Dub“
London, is the place for me
London, this lovely city,
You can go to France or America, India, Asia or Australia
But you must come back to London city
So sang Calypso Protagonist Lord Kitchener munter vor sich hin als er 1948 von Bord der „Empire Windrush” stieg, dem Ruf der englischen Regierung nach Arbeitskräften folgend. Mit ihm kamen im Zuge der grossen Immigrationswelle ab 1948 zehntausende Einwanderer aus der Karibik nach Grossbritanien und begannen, ihre Kultur diesseits des Äquators auszuleben. Musik – in diesem Falle Calypso – war wie immer eine der Hauptmöglichkeiten, die heimische (karibische) Identität in den eher grauen englischen Alltag zu transferieren und sie dort einfliessen zu lassen. Vor ungefähr 300 Jahren in Trinidad entstanden, entwickelte sich das Genre zur ersten modernen karibischen Musik die einen Einfluss auf die gesamte Welt hatte. Wie so oft auf einer narrativen Tradition des Stils von versklavten Völkern basierend, welche sich über die herrschenden Klassen in bissigen, oft kodierten Texten lustig machten und ihr Tun anprangerten, war Calypso schon immer mehr als pure Unterhaltung. Auch wenn besonders amerikanische Derivate aus den 50er Jahren den kritischen Teil der Texte gänzlich unter den Tisch fallen liessen und Calypso in den USA zu einer reinen Unterhaltungsmusik machten, die sich millionenfach verkaufte.
Betrachtet man die Entwicklung von Calypso in England um 1950 wird bei genauerer Betrachtung klar, dass hier eine Blaupause für die im weiteren Verlauf des 20. Jahrhunderts aufkommenden schwarzen Musikstile seinen Ursprung nahm, basierend auf der stets wiederkehrenden Vermischung von kulturellen EInflüssen aus Übersee mit lokalen Gegebenheiten aus England. Alles beginnt mit einem traditionellen Ausgangs-Stil – in diesem Falle Calypso – welcher sich, begründet in den unterschiedlichen Erwartungen von Publikum und Management, zwangsläufig an die neue Umgebung in London anpasst, da Tanzsäle und Radioprogramme dort einfach anders funktionieren als in der Karibik. Darüberhinaus findet, mitunter parallel, die Anerkennung der Popularität bestehender schwarzer Musikformen wie Jazz und Swing statt und es werden die (nicht unbedingt trinidadianischen) Einflüsse des Londoner Musikerpools (Westafrika, Guyana, Jamaika, USA) absorbiert und Neues entsteht. Der hier beschriebene, intrinsiche Prozess brachte im weitere Verlauf der letzten 50 Jahre unter anderem Lovers Rock, UK Dub, Britfunk, Jungle und Grime hervor und zieht eine nachvollziehbare, logische Linie von Londoner Calypso-Superstars der 1940er Jahre wie Sam Manning, Rudolph Dunbar und Freddie Grant über Eddy Grant. Carroll Thompson, Mad Professor und Soul II Soul für Rey BLK.
Zum Reinhören:
Lord Kitchener – London Is the Place for Me
Lord Invader – Rum and Coca Cola
Sam Manning and Belle Rosette
Prince Buster – Al Capone
Mad Professor – Kunte Kinte The African Warrior